Entwicklung
Industrie - Gewerbe - Handel - Handwerk
in Sarstedt
Ein Wandlungsprozess seit 200 Jahren - Eingliederung in die "Moderne Welt"
von Stadtheimatpfleger Werner Vahlbruch
Schon gegen Ende des Mittelalters begann der umfassende Wandlungsprozess, der sich offen oder verborgen, zeitweise gemäßigt, dann wieder in rasantem Tempo im Laufe der Jahrhunderte zur "Modernen Welt" entwickelt hat und als deren Geburtsphase die Zeitschwelle zum 19. Jahrhundert wird.
Ein umfassender Wandlungsprozess kennt keinen Stillstand, keine Erstarrung, obwohl Zeiten der "kleinen Schritte" Sturm und Drang mäßigten und auch heute und in aller Zukunft einkalkuliert werden müssen. Auch kleine Schritte müssen sein, zum Atem holen.
Anfang des 19. Jahrhunderts hat der Sarstedter Bürgermeister, Notar Johann Conrad Wiesenhavern aus Hildesheim, das Steuer herumgeworfen, ausgetretene Pfade verlassen und erste Vorbereitungen für eine "neue Zeit" in Sarstedt getroffen.
Er "residierte" von 1821 bis Ende 1870, also fast fünfzig Jahre in Sarstedt, ließ Straßen pflastern und Häuser bauen und befestigte die Gemeindeverbindungswege, die vorher ungepflastert und bei Schlechtwetter kaum passierbar waren.
Wiesenhavern bot Handel- und Gewerbetreibenden, Handwerksmeistern und Industriellen Ansiedlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten in Sarstedt, befürwortete den Bau eines Stationsgebäudes für die Königlich-Hannoversche Süd-Eisenbahn, die am 1. Mai 1853 bei ihrer Jungfernfahrt erstmals in Sarstedt hielt, und förderte den bau eines neuen Schulgebäudes im Jahre 1857 (heute Stadtbücherei), die sogenannte Rektorenschule.
So leitete Bürgermeister Wiesenhavern die Phase der städtischen Entwicklung ein, legte den Samen für eine "Moderne Welt", der dann um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert aufging, Jahrzehnte langes Wachstum entwickelte und viele Jahre Früchte trug.
Für eine Stadt wie Sarstedt war es von je her notwendig, dass sich zunächst Handwerks- und Industriebetriebe ansiedeln, die sich im Laufe der Zeit erweitern und dann schließlich in eigener Regie Wohnraum für ihre Mitarbeiter schaffen.
Besonders in der Zeit zwischen 1844 und 1880 entstanden neue Betriebe, die auch neue Arbeitsplätze schaffen. Die Vosswerke, eine Firma mit Weltruf (1.000 Beschäftigte), wofür 1844 der Grundstein gelegt wurde oder die Mühlenwerke Malzfeldt, die sich ab 1854 zu einem Großbetrieb und zur ersten deutschen Handelsmüllerei entwickelte.
Aber auch eine Likörfabrik, eine Lumpensortieranstalt, Ziegeleien, Zündholzfabriken, eine Pianofabrik, eine Zelluloidfabrik in der Spielzeug produziert wurde, eine Seifenfabrik, Produktionsbetriebe für Garne und Flachs.
Auch Kolonialwarengeschäfte, Manufakturwarengeschäfte etablierten sich und gaben dem Sarstedt von damals mit seinen rund 2.455 Einwohnern in 1885 schon eine gute Infrastruktur.
Mit dem Aufwärtsstreben der Stadt Sarstedt sind aber nicht nur die Namen der Großbetriebe verbunden. Die Entwicklung zur "Industriestadt" ist natürlich auch eng mit den mittelständischen Betrieben verflochten.
Viele Einzelhandelsgeschäfte, ob Textilien, Lebensmittel, Haushaltswaren, prägten bereits in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts das Straßenbild unserer Stadt.
Die Sarstedter Handel- und Gewerbetreibenden gründeten 1923 eine Vereinigung zur Wahrung gemeinsamer Interessen, quasi einen Vorläufer der heutigen GHG.
In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg, sich der fortschreitenden Entwicklung und wachsenden Einwohnerzahl anpassend, erweiterten und modernisierten auch die alteingesessenen Einzelhandelsfirmen ihre Ladenlokale und Fassaden. Moderne Geschäftshäuser mit neuzeitlich gestalteten Schaufenstern entstanden besonders in der Steinstraße und in der Holztorstraße, ebenso vereinzelt in Außenbezirken.
Es wurde ausgebaut, vergrößert und modernisiert. Zu den alteingesessenen Einzelhandelsgeschäften kamen immer wieder Neueröffnungen. Die Zahl der Selbstbedienungsläden in den 60er Jahren, neue und "umgestellte" alte, wuchs.
Eine Zeit des Aufbruchs. Auch die Handwerksbetriebe mussten sich umstellen. Zu den verhältnismäßigen wenigen "alten" kamen neue Branchen hinzu. Mehrere große Bauunternehmen ließen sich in Sarstedt nieder, dazu eine Anzahl junger Architekten. Die zunehmende Verkehrsdichte begünstigte Omnibusunternehmen und Autoreparaturwerkstätten.
Gerade nach dem Krieg hat Sarstedt mit z. B. dem Wellkistenwerk Heinrich Sieger, der Hy-Lo GmbH, der Firma Theodor Pflüger, dem Tex-Gummiwerk Rubion, der H.-L. Fuge Kohlensäureautomaten neue Betrieben bekommen die der Stadt eine Gewerbesteuer sicherte.
Diese und viele andere altansässigen oder neugegründeten Klein- und Mittelbetriebe des Handels und Handwerks und Großbetriebe wie Ziegeleien und Kieswerke bildeten zu jener den Wirtschaftskern der Stadt.
Erst als Anfang/Mitte der sechziger Jahre eine bis dahin große landwirtschaftlich genutzte Fläche von 450 Morgen am Boksberg in die städtebauliche Planung einbezogen werden konnte, entstand Sarstedts erster in sich geschlossener Gewerbepark für mittlere Betriebe und Filialbetriebe großstädtischer Produktionsstätten.
In diesen Jahren wird ein Strukturwandel deutlich. Gekennzeichnet ist der Rückgang der Landwirtschaft, durch ein Stagnieren des produzierenden Gewerbes und das Wachstum des Handels- und Dienstleistungssektors.
Ein kleines Gewerbegebiet im Nahbereich des sogenannten Nullpunktes in einer Größe von 6.000 Quadratmeter konnte erschlossen werden und diente der Standortsicherung von einer in Sarstedt ansässigen Firma. Die Umsiedlung dieses Betriebes (Hermes Printec, Schilder und Etiketten) konnte bis 1991 erreicht werden. Die gewerbliche Entwicklung nahm in den 90er Jahren rasant zu.
Im Gewerbegebiet "Im Kirchenfelde" siedelten sich auf einer Fläche von rund 22 Hektar insgesamt 26 Betriebe an. Hierbei handelt es sich um 14 Nauansiedlungen und 12 Umsiedlungen im Rahmen der Standortsicherung.
Um einen nahtlosen Übergang in der Angebotspolitik für Gewerbeflächen zu erreichen, wurde vom Rat der Stadt ein weiterer Bebauungsplan aufgestellt. Das Gewerbegebiet "Gewerbepark Sarstedt", in dem nun auf rund 28 Hektar Gewerbeflächen zur Verfügung stehen.
Erstmals wurden für die Entwicklung dieses Gebietes neue Wege gegangen. Eine Gewerbeentwicklungsgesellschaft wurde gegründet, die zu 52 % im Eigentum der Stadt und zu 48 % im Eigentum der Sparkasse steht.
Inzwischen sind bereits sechs Betriebe angesiedelt. Die Firme GEA Ecoflex ist z. Zt. der größte Betrieb mit rund 250 Beschäftigten.
Für das Sarstedt von heute mit seinen nahezu 18.500 Einwohnern steht die Sicherung und Entwicklung von Arbeitsplätzen an erster Stelle. Ca. 700 Betriebe mit insgesamt 5.900 Arbeitsplätze, davon 2.430 im produzierenden Gewerbe und 3.340 im Dienstleistungsgewerbe.
Vergleichen wir die Einpendler im Jahre 1987 mit 2.500 und dem Jahr 2001 mit 4.100 und Auspendler 4.100 im Jahre 1987 und 2004 4.560, so ist klar und deutlich eine positive Entwicklung zu erkennen.